Alexander Goehr
Über Alexander Goehr
Die Kombination von mystischer und transparenter Musiksprache verlangt Aufmerksamkeit – genau wie diese gleichermaßen ausgefallene wie kontrollierte Aufführung – gerade weil ihre Kernbedeutung rätselhaft blieb. Es war eine ganz außergewöhnliche musikalische Erfahrung, eine bei der man die Musik noch einmal hören möchte, um ihrem inneren Geheimnis näher zu kommen.- George Grella (New York Classical) über Verschwindendes Wort ( Vanishing word)
Alexander Goehr wurde am 10. August 1932 als Sohn des Dirigenten Walter Goehr in Berlin geboren, von wo seine Eltern ein Jahr später nach England zogen. Er studierte Komposition bei Richard Hall am Royal Manchester College of Music; dort gründete er zusammen mit Harrison Birtwistle, Peter Maxwell Davies und John Ogdon die New Music Manchester Group. In Paris setzte er von 1955-56 seine Studien bei Olivier Messiaen und Yvonne Loriod fort. In den frühen 60er Jahren arbeitete er für die BBC und gründete das Music Theatre Ensemble, eines der ersten englischen Ensembles, das sich ausschließlich der Pflege des zeitgenössischen Musiktheaters widmete. Ab den späten 60er Jahren lehrte er am New England Conservatory in Boston, an den Universitäten von Yale und Leeds und folgte 1976 einem Ruf an die Universität von Cambridge, wo er bis zu seiner Emeritierung im Jahre 1999 als Professor lehrte. Goehr unterrichtete außerdem in China und war zweimal Composer-in-Residence beim Tanglewood Festival.
Zu Goehrs Bühnenwerken gehören Arden Must Die (Hamburg 1967), Behold the Sun - Die Wiedertäufer (Düsseldorf 1985), Arianna, Lost Opera by Monteverdi, der Musiktheaterzyklus Triptych mit den Einzelwerken Naboth's Vineyard (London 1968), Shadowplay (London 1970) und Sonata about Jerusalem (Tel Aviv 1971), die Kammeroper Kantan & Damask Drum (Dortmund 1999), sowie Promised End (2010) nach Shakespeares King Lear.
Sein symphonisches Werk, das neben anderen Orchesterwerken vier Symphonien, sowie Konzerte für Klavier, Violine, Viola und Violoncello umfasst, wurde u.a. von Antal Dorati, Pierre Boulez, Daniel Barenboim, John Pritchard, Berhard Haitink, Christoph von Dohnanyi und Simon Rattle, gemeinsam mit zahlreichen international renommierten Solisten, aufgeführt. Auch Oliver Knussen ist ein regelmäßiger Interpret seiner Werke.
Goehrs Zeit in Camebridge fällt mit einem Wendepunkt in seinem Schaffen zusammen: Mit Psalm IV (1976) und dessen einfacher, modaler Textur kehrte der Komponist dem Serialismus der Nachtkriegszeit zu Gunsten einer durchsichtigeren Klangsprache den Rücken. Durch die Anwendung der barocken Generalbasstechnik auf seine eigene modale Harmonik entwickelte Goehr einen neuen Weg, das harmonische Tempo zu kontrollieren und schuf so eine ganz individuelle musikalische Symbiose von Vergangenheit und Gegenwart.
In den darauf folgenden zwanzig Jahren erkundete Goehr die kompositorischen Möglichkeiten dieses neuen Stils in unterschiedlichen Formen und Gattungen, wie beispielsweise in den symphonischen Werken Sinfonie (1979), Symphonie mit Chaconne (1985-86), Eve Dreams in Paradise (1987-88) sowie Colossos or Panic (1991-92). Ein weiterer Schwerpunkt in dieser Zeit war die Komposition von Vokalwerken. Durch die Wahl Stoffes verlieh Goehr diesen Stücken allegorische Qualitäten. So zeigen The Death of Moses (1992), die Kantate Babylon the Great is Fallen (1979) und die Oper Behold the Sun (1985) selten mit sozial-politischen Ambitionen. Beispiele für nicht politisch motivierte Stücke sind hingegen die Kantate Sing, Ariel (1989-90), die Messiaen-artige Vogelgesänge mit englischer Dichtung kombiniert sowie die Oper Arianna (1995) über ein Libretto von Ottavio Rinuccini für eine verschollene Oper durch Monteverdi.
Nach seiner Oper Kantan & Damask Drum (1997-98) wandte sich Goehr zunächst fast ausschließlich der Kammermusik zu, wodurch sein Stil an rhythmischer und harmonischer Unmittelbarkeit gewann, während der Bezug auf die Musik früherer Epochen erhalten blieb. Unter anderem komponierte Goehr eine Reihe von Quintetten für unterschiedliche Besetzungen: darunter Five Objects Darkly (1996), Piano Quintet (2000); …around Stravinsky für Violine und Holzbläser (2002), Clarinet Quintet (2007) sowie Symmetry Disorder Reach für Klavier (2007), eine Hommage an die barocke Suite sowie Marching to Carcassonne (2003), eine Auseinandersetzung mit dem Neoklassizismus und Igor Strawinsky. Zu Goehrs jüngeren Werken zählen das für das Scharoun Ensemble komponierte Ensemblestück …between the lines (2014), Verschwindendes Wort (2014-15), das unter anderem vom Ensemble Modern gespielt wurde). Goehrs Quintett after „The Waking“, ein Auftragswerk der Wigmore Hall und des Santa Fe Chamber Music Festival, wurde vom Nash Ensemble uraufgeführt und das Trio Largo Siciliano (2012) für Violine, Horn und Klavier wurde unter anderem von Daniel Barenboim gespielt.
Alexander Goehr ist Ehrenmitglied der American Academy of Arts and Letters, ehemaliger Churchill-Fellow, und war BBC Reith Lecturer des Jahres 1997. Er ist emeritierter Professor der Camebridge University. Das Alexander Goehr Archiv befindet sich in der Akademie der Künste Berlin. Seine Musik wurde hauptsächlich vom Label NMC veröffentlicht. das zuletzt die von Oliver Knussen dirigierten Stücke Colossos or Panic, Little Symphony and The Deluge auf CD herausbrachte. Seine Schriften sind in Finding the Key (Faber & Faber 1998) sowie in Fings ain’t wot they used t’be (Akademie der Künste Berlin und Wolke-Archive 2012) erschienen. 2012 und 2013 erschienen CDs mit Orchesterstücken bei Naxos und Kammermusikwerken bei NMC.
- Alexander Goehrs Wikipedia-Eintrag
- Goehr-Aufführungen auf Youtube